Christoph Geiser
zu Daniel Bittermanns Badischer Revolution
„Das Chaos ist aufgebraucht, es war die beste Zeit“: Dies ist die groteske, komische, zugleich himmeltraurige Geschichte von einem Jungen, der, als Vierzehnjähriger von seinen Eltern aus dem Dickicht der Städte ins badische Rebland verpflanzt, in aufschäumendem Lebens- und Freiheitsdrang über sämtliche Grenzen der nicht nur bürgerlichen Normen hinaus schießt, beinahe aus dem Leben hinaus – wie eine unter Überdruck stehende Dampflok, der die Geleise fehlen. Sex, Drogen, Punk: Das Besondere an Daniel Bittermanns persönlicher Revolution der siebziger und achtziger Jahre ist der beschaulich kleinstädtische Rahmen – Baden-Baden, Erlangen, Freiburg –, mit dem die wilden Ausbrüche kollidieren, aber ebenso die jungenhafte Arglosigkeit, ja Naivität, mit der dieser Held – Held vor allem bei den Frauen – in Cowboy Stiefelchen und (angesengten) Kunstlederhosen durch die künstlichen Paradiese und den deutschen Herbst stolpert, von einem Abenteuer zum nächsten Absturz, auf nichts verzichtend, bis zu guter Letzt die Polizei zum Freund und Helfer werden muss: der Feind als Retter in der Not. Ein Ritter von der traurigen Gestalt – oder ohne Furcht und Tadel? Ein großes männliches Kind, für das „no future“ „zurück in den Uterus“ heißt und dessen Sehnsucht nach Gemeinschaft und Freiheit nicht zuletzt aus der Erfahrung des Terrors sadistischer Religionsschwestern im Kinderheim der Gitterbetten gewachsen sein mag, „starr vor Einsamkeit“, und wärʼs auch nur für die Dauer der elterlichen Ferienabwesenheit. So kann man diese Geschichte, die sehr konkret zeit- und ortsbezogen ist und in der man die Requisiten und Diskurse der Jugendrevolten jener Jahre wiederfindet, auch als eine weitere Variante der Geschichten vom schmerzhaften Erwachsenwerden lesen: keine subtile Variante, nein, ein Kriegsbericht von den Schlachtfeldern der Bürgerlichkeit.
Anpassung oder Widerstand? Möge – das wünscht sich der seit 68´ auch in die Jahre gekommene Leser am Ende – dieser schlussendlich zum Germanisten mutierte Anarcho-Punk, dessen Stolz es ist, Goethes „Faust“ nicht gelesen zu haben, „als letzten persönlichen Widerstand gegen das Schweinesystem“, wenigstens Brechts frühe Stücke lesen, den „Baal“ zumindest.
Christoph Geiser (Schriftsteller, Bern 2011)
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Buch-Infos
Belletristik: Roman
Taschenbuch: 228 Seiten
Verlag: Books on Demand; Auflage: 1 (2011)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3744897311
ISBN-13: 978-3744897310
Preis: 9,99 Euro